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HORNER Magazin | Herbst 2011

HORNER Magazin | Herbst 2011 29 DEICHHAUPTMANN MICHAEL SCHIRMER An seinen 18. Geburtstag kann sich Michael Schirmer besonders gut erinnern. An diesem Tag, es war der 16. Februar 1962, wurde Hamburg von der großen Sturmflut heimge- sucht, die Schirmer als gebürtiger Hambur- ger hautnah miterlebte. Dieses Erlebnis ist dem heute 67-jährigen Bremer Deichhauptmann besonders im Ge- dächtnis geblieben. „Ich würde nicht sagen, dass ich mich deshalb besonders für den Er- halt der bremischen Deiche engagiere. Aber zu meiner Einstellung beigetragen hat das si- cher“, sagt er. Gerade ist Schirmer für wei- tere fünf Jahre als Deichhauptmann wiedergewählt worden. Er vertritt den Vor- stand des Deichamts mit Sitz am Lehester Deich gegenüber der Politik, den Behörden und der Justiz. „Alle Verbandsmitglieder wählen alle fünf Jahre ihre Vertreter ins Deichamt. 31 Delegierte bestimmen dann den fünfköpfigen Vorstand, der wiederum den Deichhauptmann ernennt“, beschreibt er das Verfahren. Der Vorstand arbeitet ehren- amtlich und trifft sich monatlich zu einer Sit- zung. Finanziert wird die Arbeit des Deichamts durch den sogenannten Deichbei- trag der 180.000 Grundstückseigentümer. Davon werden rund 50 Angestellte bezahlt, die Deiche pflegen und Gräben reinigen, ohne die das Wasser nicht abfließen würde. Bedeutung des Hochwasserschutzes „Der Deichhauptmann ist einer der interes- santesten Jobs, die man in Bremen haben kann“, schwärmt der Borgfelder von seiner Aufgabe. Denn die Bedeutung des Hoch- wasserschutzes könne gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. „Ohne Deiche und ohne Entwässerungsmaßnahmen stünden 80 Prozent der Stadtfläche unter Wasser“, stellt er klar. Die Weserdeiche liegen im Schnitt sieben Meter über Normalnull, doch dabei soll es nicht bleiben. „Wir sind dabei, die Barrieren um einen Meter zu erhöhen“, kün- digt Schirmer an. Der Grund für diese Maß- nahme ist der Anstieg des Meeresspiegels durch den Klimawandel. „Die Veränderun- gen machen sich heftig bemerkbar. Der Mee- resspiegel steigt doppelt so schnell an, wie ursprünglich vorhergesagt.“ Betroffen sind an der Weser 36 Kilometer Deich. „Küstenschutz in der Stadt ist eine komplizierte Angelegenheit“, sagt Schirmer und nennt die Deiche an der Schlachte als Beispiel. Mindestens 80 Millionen Euro wird das Großprojekt verschlingen. Finanziert wird es von Bund, Land und Europäischer Gemeinschaft. „Wir werden auch vier Meter Anstieg aus- sitzen können. Aber irgendwann wird die Er- höhung des Küstenschutzes einfach zu teuer.“ Zumal es eine hundertprozentige Si- cherheit nicht geben kann. „Für den Alltag reichen die Deiche völlig aus. Aber ein Rest- risiko durch eine Sturmflut gibt es immer. Nach der statistischen Wahrscheinlichkeit kommt es aber nur alle 4000 Jahre dazu. Nur wann, weiß man nicht.“ Nach der Schulzeit studierte Schirmer in Hamburg Gewässerbiologie und Fischerei- wirtschaft. Er wollte Meeresbiologe werden. 1976 kam dann der Ruf an die Bremer Uni zum Assistenzprofessor. Hier beteiligte er sich am Aufbau des Studiengangs Biologie und arbeitete schwerpunktmäßig im Bereich Süßwasserbiologie. „Ich habe mich mit den Studenten intensiv um die Weser gekümmert, die damals in einem grauenhaften Zustand war. Wenige Fische und fast keine Pflanzen mehr. Das ganze Ökosystem war zu Tode ge- ritten“, erinnert sich Schirmer. Ursache waren nicht nur die Salzeinleitungen in der damali- gen DDR, sondern auch die Tatsache, dass alle Abwässer aus den Bremer Haushalten und der Industrie nahezu ungefiltert eingelei- tet wurden. Heimliche Wasserproben Gemeinsam mit Studenten entnahm Schirmer nachts heimlich Wasserproben und machte die Ergebnisse öffentlich. „Das Bremer Trink- wasser stammte damals aus der Weser, und es war hochgradig mit krebserregenden Stoffen belastet. Damals war der Teufel los“, so Schirmer. Dieser Skandal habe nicht nur den Gewässerschutz in Bremen auf den Weg ge- bracht. Seit 1982 wird kein Weserwasser mehr zum Trinken entnommen. Die Versor- gung wurde auf Grundwasser umgestellt. Inzwischen stellt der Experte der Weser ein befriedigendes Zeugnis aus. „Nach dem Ende der DDR hat sich die Wasserqualität deutlich verbessert.“ Das Thema sei jedoch noch nicht erledigt. Nach wie vor sei die Wärmebela- stung durch die Kraftwerke sowie Salz ein Problem. Beruflich ist Schirmer in den vergangenen Jahren kürzer getreten. Nach zwei Jahren Al- tersteilzeit ist er jetzt im Ruhestand. Zuletzt hatte er als eigenständiger Wissenschaftler an der Universität Bremen geforscht – allerdings mit allen Rechten eines Professors. Mehr Freizeit hat der 67-Jährige trotz der Pensio- nierung nicht, dafür sorgt schon der Einsatz für den Deichverband. Der Einsatz gegen das Hochwasser Deichhauptmann Michael Schirmer ist als Wissenschaftler und Naturschützer bekannt TEXT & FOTOS | ANDREAS BECKER