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HORNER Magazin | Sommer 2011

HORNER Magazin | Sommer 201122 s ist ein Mammutprojekt: 114 Doppelbände (Originalschriften plus Erläuterungen) wird die erste historisch-kritische Gesamtaus- gabe der Schriften von Karl Marx und Fried- rich Engels umfassen. Beteiligt an dem ehrgeizigen Vorhaben sind auch die Bremer Historiker Till Schelz-Brandenburg und Eva Görtz. Ihr Arbeitsgebiet ist die Herausgabe der Briefe. „Neu ist, dass wir wirklich versuchen, ein möglichst komplettes Bild der Korrespon- denz von Marx und Engels zu erstellen“, sagt Schelz-Brandenburg. Dazu gehört, dass nicht nur die Briefe von, sondern auch die- jenigen an die beiden Denker Eingang in die Gesamtausgabe finden. Ein ehrgeiziges Ziel und eine knifflige Arbeit, denn Marx und Engels waren alles andere als einfache Brie- feschreiber. „Wir haben alleine fünf Spra- chen, in denen die Korrespondenz abgefasst ist. Neben Deutsch und Englisch auch Fran- zösisch, Spanisch und Italienisch. Einige Briefe sind sogar auf Altdänisch. Engels hatte sich diese Sprache beigebracht, um eine Übersetzung der Edda-Gedichte anfer- tigen zu können“, erzählt Schelz-Branden- burg. Klassische Bildungsbürger Die beiden Autoren des Kommunistischen Manifests seien klassische Bildungsbürger gewesen – und ein bisschen „bildungseitel“ auch dazu. Engels werden alleine zwölf Fremdsprachen nachgesagt, die er aktiv be- herrschte. Dazu kamen 20 passive. „Beide haben an Wissen gefressen, was es gab“, sagt Eva Görtz. Und fleißige Schreiber waren sie obendrein. Neben ihren umfang- reichen theoretischen und philosophischen Schriften waren sie eifrige Briefeschreiber: Rund 440 sind es pro Jahr gewesen. „Das ist ein sehr umfangreiches Material, zumal das manchmal kleine Romane sind“, sagt Schelz-Brandenburg. Kein Wunder, dass die Tätigkeit nicht nur extrem aufwendig, sondern auch langwierig ist. Pro Band rech- nen die Historiker mit einer Arbeitszeit von drei bis fünf Jahren. „Das ist über weite Strecken eine Detektiv- und Puzzlearbeit“, sagt Eva Görtz, während sich Till Schelz-Brandenburg an die peni- blen Bemühungen eines Archäologen erin- nert fühlt. „Das ist ein Riesenhaufen Schutt, unter dem man versucht, kleine Schätze zu bergen, ohne sie dabei zu zer- stören“, sagt er. Inhaltlich sei dabei eine große Bandbreite an Themen zu finden. „Privates bis Philosophisches“, sagt der Hi- storiker. „Da gibt es beispielsweise ganz private Schilderungen über Freunde, die Marx oder Engels irgendwann bei sich zu Hause aufgenommen haben.“ Zur Arbeit der Herausgeber gehört dann eben auch, diese Personen zu identifizieren, die Zu- sammenhänge mit Marx und Engels her- auszufinden und die Beziehungen der Personen in ein zeitgeschichtliches Umfeld zu stellen. „Das bedeutet Recherche in ganz Europa und Nordamerika“, sagt Eva Görtz. Da ein guter Freund des Duos in die USA emigriert sei, seien auch dort Originalquel- len zu finden. Dabei kommen unverhofft nach all den Jahren noch Schätze zutage. So entdeckten die Bremer Wissenschaftler bislang unveröffentlichte Briefe und Post- karten, die Friedrich Engels in Zürich ge- schrieben hatte. „Das sind natürlich spannende Momente. Insgesamt ist das keine stumpfe Kärrnerarbeit, sondern sehr abwechslungsreich“, erzählt Schelz-Bran- denburg. Fast unleserliche Handschriften Wichtig ist für die beiden Wissenschaftler, die Originalquellen zu betrachten und nicht auf vorhandene Veröffentlichungen zurück- zugreifen. „Nur so kommt man auf neue Fragestellungen und Probleme“, begründet Schelz-Brandenburg diese Haltung. Er- schwert wird die Analyse der Briefe nicht nur durch inhaltliche Klippen und die frem- den Sprachen, sondern auch – ganz schnöde – durch die fast unleserlichen Handschrif- ten der Autoren. „Im Falle von Engels und meinetwegen August Bebel sind die sehr MARX UND ENGELS IN BREMEN Detektivarbeit an Marx und Engels Zwei Bremer Historiker geben den Briefwechsel der beiden Philosophen heraus E