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HORNER Magazin | Winter 2010

HORNER Magazin | Winter 201118 MENSCHEN AUS HORN-LEHE Herr Börgerding, Sie werden zur Spielzeit 2012/2013 als neuer Generalintendant das Bremer Theater führen. Was wird Ihr Hauptaugenmerk sein? Ich weiß nicht, ob es eine Pluralform für Hauptaugenmerk gibt. Aber es gibt sicher einige durchaus unterschiedliche Schwerpunkte, dazu gehört ganz sicher das Schauspiel als eine Sparte, die in den letzten Jahren doch sehr an Bedeutung verloren hat. Konkret be- deutet das den Aufbau eines breit gefächerten Repertoires und eines selbstbewussten und überzeugenden Schauspielensembles. Dass ich ein Vertreter des Regietheaters bin – das ja schließlich in Bremen Ende der sechziger Jahre erfunden worden ist – ist kein Geheim- nis, ebenso wie die Tatsache, dass ich mit einer ganzen Reihe von Gegenwartsdramatikern zusammengearbeitet habe. Die Oper steht ja in Bremen musikalisch hervorragend da, da gilt es vielleicht eher, das tolle Sängerensemble mit bestimmten Regiehandschriften her- auszufordern und die Philharmoniker mit Markus Poschner mit be- sonderen Herausforderungen. An das Kinder- und Jugendtheater sind in den letzten Jahren durch die veränderten Lebenswirklich- keiten viele neue Aufgaben herangetragen worden, da gilt es ganz sicher, noch weiter zu gehen und sich noch mehr zu öffnen. Und in der vierten Sparte, dem Tanztheater, heißt es, einen Weg zu finden zwischen dem Wunsch, neue ästhetische Handschriften zu entwik- keln und der Bremer Tanztradition nachzugehen. Gibt es Ideen und Pläne, mehr Besucher anzusprechen und auch jüngeres Publikum auf Sie aufmerksam zu machen? Ich glaube, dass jeder Intendant erst einmal mehr Besucher in sei- nem Theater haben möchte. Die Frage ist dabei zum einen natür- lich, welches Publikumsegment wird durch welches Angebot angesprochen. Festzustellen ist sicher, dass das Publikum im Bre- mer Theater – natürlich bis auf das Moks – nicht wirklich ein jun- ges Publikum ist. Und es ist – so nehme ich es wahr – ein bildungsbürgerliches, „weißes“ Publikum. Sprich: „wir“ sind noch sehr unter uns; das Publikum spiegelt nicht die Realität einer groß- städtischen Bevölkerung. Das bedeutet, wir müssen nachdenken über die Themen und die Geschichten, die wir erzählen wollen. Wir müssen aber auch nachdenken, warum es immer noch so viele Bar- rieren gibt, die Menschen davon abhalten, in das Theater zu gehen. Und dann müssen wir vielleicht, wenn die Menschen aus Gröpe- lingen, aus der Vahr oder auch aus Horn nicht in das Bremer Thea- ter kommen, genau dort hingehen und dort Theater machen. Bremen hat nachhaltig leere Kassen. Kann man da gutes Theater machen? Das ist schwierig – aber grundsätzlich möglich. Wenn ich davon nicht überzeugt wäre, hätte ich mich nicht beworben. Wichtig ist vor allem Verlässlichkeit seitens der Politik. Dass man nicht jedes Jahr neu kämpfen und rechnen muss. Das gilt selbstverständlich auch andersrum: natürlich müssen Theaterleiter rechnen und auch rechnen können. Theater ist teuer, das stimmt. Und eine Stadt sollte wissen, was sie sich leistet – aber auch, was sie dafür bekommen kann: einen Ort der offenen Selbstvergewisserung. Wer sind wir, wo kommen wir her, wo wollen wir hin. Was bedeutet Bremen für Sie? Als Schüler im katholischen Südoldenburg wollte ich immer nach Bremen, um dort zu studieren. Das mit dem Studienplatz hat dann nicht geklappt. Dass ich nach Umwegen über Göttingen, Hannover und Hamburg jetzt mit 50 Intendant des Bremer Theater werde, ist schon auch ein wenig seltsam – und sehr schön. Sie leben seit mehreren Jahren schon in Bremen Horn-Lehe. Was schätzen Sie an diesem Stadtteil? Eigentlich müssten Sie das meine Frau fragen, sie lebt seit 19 Jah- ren als überzeugte Hornerin hier. Ich bin ja wegen ihr 2003 nach Horn gekommen und seitdem einer der vielen Berufspendler Bre- men-Hamburg. Aber ich mag es hier schon sehr – die Nähe zur Stadt und die gleichzeitige Ferne zur Stadt. Die Nachbarn in der Heymelstraße, das Blockland, der Bürgerpark, den Samstagsein- kauf bei Lestra … Werden Sie Ihre jetzige Wirkungsstätte, die Theaterakademie Hamburg nach dem Wechsel vermissen? Die A1 wohl eher nicht? Ich kriege im Augenblick schon ein bisschen Heimweh nach Ham- burg, merke gerade, dass ich im Hamburger Abendblatt immer öfter den Lokalteil intensiv lese (was man wirklich nicht tun muss) – im Ernst, meine Studierenden werde ich sicher vermissen. Auch ein paar Kollegen natürlich. Das Thalia Theater, das Deutsche Schau- spielhaus, Kampnagel – in zwei Städten zu leben ist und war zwar oft mühsam (und oft habe ich die Bundesbahn verflucht), aber ich könnte mir vorstellen, dass ich dieser Mischung aus Nähe und Di- stanz bisweilen nachtrauern werde. Herr Börgerding privat: Wie schaffen Sie sich Ihren Ausgleich zu einem harten Arbeitstag? Eigentlich weiß ich das ziemlich genau: Laufen und durch ein gutes Buch. Leider bin ich oft zu faul und zu undiszipliniert. Ihr Wunsch für die Zukunft? Robert Gernhardt hätte darauf geantwortet: Glück, Glanz, Ruhm! Ich wünsche mir, dass meine Familie und ich gesund bleiben. Vielen Dank für das Gespräch. Der neue Generalintentant INTERVIEW | LARS H VOGEL H